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Entspannungstechniken   
Wir belasten nicht nur unseren Körper, sondern auch unseren Geist
mehr, als ihm gut tut. Gemessen an den Gedankenleistungen unserer Eltern
und Großeltern muss unser Hirn täglich ein vielfaches
an Information verarbeiten, ohne dass wir dabei gleich Stress
empfinden. Unser Körper funktioniert zwar scheinbar automatisch ohne
Einschalten des Gehirns, doch die Koordination unserer Bewegungsabläufe
und die Entscheidungen müssen ja irgendwo stattfinden. Auf der Straße
passiert im Stadtverkehr in unserem Gehirn in einer Stunde mehr, als bei
unseren Eltern in einer Woche. Deshalb brauchen wir in unserer Zeit einen
Ausgleich zu den Belastungen.
Eine besondere Rolle spielen dabei die Entspannungstechniken.
In allen Kulturen gab und gibt es Methoden der Versenkung, die
die Menschen angewandt haben, um von den Belastungen des Alltagslebens
Abstand zu nehmen. Alle diese Methoden haben eines gemeinsam, nämlich
durch Monotonie sich in einen Zustand zwischen Wachheit und Schlaf zu
versetzen. Ein Zustand, in dem man seiner Umgebung zwar weit entrückt,
aber bei Gefahr sofort wieder in die Realität zurückkehren kann.
Um diesen Zustand zu erreichen, wurden in allen Kulturen Techniken entwickelt,
die der des Autogenen Trainings ähnlich sind.
Jeder von uns hat schon von Versenkungs- oder Selbstentspannungstechniken
gehört, ohne sie vielleicht mit einer Technik wie dem autogenen
Training etwa in Verbindung zu bringen. Wir besitzen Überlieferungen
aus dem Schamanismus, aus dem altindischen Joga und wir kennen auch solche
Techniken von den Naturvölkern. Allen gemeinsam ist eine Monotonie,
entweder in Form von Gesängen, monotoner Musik, insbesondere Schlagen
von Trommeln, Tänzen mit gleichmäßigem Rhythmus oder Sprechen
bzw. Murmeln von monotonen Silben und Sätzen. Die meisten Techniken
sind verbunden mit einem unbewegten Sitzen. Wir wissen, dass die
Mönche auf Athos bei ihren Gebeten ihren Nabel fixieren, um so die
Versenkung zu vertiefen. Viele von uns kennen aus dem kirchlichen Bereich
Stilleübungen und Exerzitien. Regeln dieser Art wurden bereits von
Ignatius von Loyola aufgestellt. Viele verschiedene Techniken sind auch
aus dem Sport bekannt. Zum Teil wird die Entspannung über bestimmte
Atemtechniken oder Fixationen durchgeführt. Für einen Schützen
- egal ob Bogen- oder Waffenschütze - ist äußerste Sammlung
notwendig. Im Zen-Buddismus ist Bogenschießen wie eine Meditation.
Alle fernöstlichen Kampfsportarten wie Judo und Karate werden durch
Versenkungen eingeleitet.
Da jedes geistige Entspannen auch zu einem körperlichen Entspannen
führt und umgekehrt, kann der Körper auf "Sparflamme"
wieder Energie tanken.
Ein anderes Beispiel, das wir alle gut kennen, ist die Geburtsvorbereitung
nach Dick-Read. Es ist heute absolut bewiesen, dass Geburten unter
Entspannungstechniken wesentlich komplikationsärmer verlaufen. Neuere
Verfahren sind das sog. Biofeedback, wo meist über Muskelelektroden
der Widerstand der Haut gemessen wird und über ein akustisches oder
optisches Gerät an den Patienten zurückgegeben wird. So ist
es möglich, die Entspannung mit Hilfe einer Maschine exakt für
den Patienten nachvollziehbar zu erlernen. Eine andere Methode ist z.B.
die progressive Relaxation nach Jacobson, bei der durch maximale
Anspannung bestimmter Muskelgruppen eine anschließende Entspannung
erreicht wird.
Wir bevorzugen das autogene Training, weil mit dieser Methode
mit einem minimalen Zeitaufwand ein möglichst großer Effekt
erreicht werden kann. Im Zustand der Versenkung kommt es zu einer Veränderung
der Hirnaktivität, wie sie auch bei Hypnose, Feuerläufern und
Akrobaten vorkommt. Gleichzeitig tritt eine Aktivitätsverminderung
in den Muskeln auf, ähnlich wie bei einem Totstellreflex. Eine psychische
Entspannung führt in der Regel zu einer körperlichen und eine
körperlichen Entspannung zu einer psychischen Entspannung.
Es gibt viele verschiedene Techniken, diesen Zustand zu erreichen.
Zunächst einmal ist der Zustand, in dem wir uns beim autogenen Training
befinden, uns allen bekannt, denn wir durchlaufen unbeabsichtigt mehrmals
täglich diesen Zustand. Zum Beispiel wenn uns kurz vor dem Einschlafen
einfällt: "Habe ich das Licht im Keller ausgemacht?" Wir
sind aber bereits in einem so wohligen Zustand der Entspannung, dass
es uns egal ist, ob das Licht brennt oder nicht. Wir wollen nicht nachschauen
und schlafen trotzdem einfach ein. "Was soll's, ob das Licht brennt
oder nicht."
Ein weiteres Beispiel ist, wenn Sie als Beifahrer auf einer Ihnen gut
bekannten Autobahn fahren und auf einmal bemerken, dass Sie für
wenige Minuten ihre Umgebung gar nicht wahrgenommen haben und wie Sie
von A nach B gelangt sind. Sie waren während dieser Zeit weggetreten.
Eigene Erfahrung mit vegetativen Steuerungen haben die meisten Menschen
schon gemacht. So sind die meisten in der Lage, morgens zu einem bestimmten
Zeitpunkt zu erwachen, wenn Sie etwas Wichtiges vorhaben. Andere vegetative
Funktionen sind schlecht steuerbar und laufen nach einem ganz bestimmten
Reiz-Antwort-Schema ab. Ein Beispiel dafür ist das Erröten,
wenn die Intimsphäre verletzt wurde oder das Bleichwerden bei Gefahr
oder Angst. Weiterhin ist das vegetative Nervensystem über Vorstellungen
zu beeinflussen, wenn bestimmte Speisen oder Gerüche ganz bestimmte
Vorstellungen in unserem Gehirn hervorrufen. Bekannt ist die vermehrte
Speichelproduktion, die das Essen einer Zitrone bei den Mitmenschen hervorruft.
Die meisten werden die Geschichte kennen, bei der Blasmusiker wegen erhöhtem
Speichelfluss nicht mehr weiterspielen können, wenn jemand aus
dem Publikum eine Zitrone kaut.
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